Ertrinkungsunfall
Ertrinkungsunfälle – immer vermeidbar!

Ertrinken ist die führende Todesursache bei Kindern im Alter von 1 bis 4 Jahren. Die größte Gefahr des Ertrinkens bei Kleinkindern besteht darin, dass sie unbeaufsichtigt und unerwartet Zugang zu Wasser haben. Dies kann in Schwimmbädern, Whirlpools, Gartenteichen, Badewannen sowie in natürlichen Gewässern wie Flüssen oder stehendem Wasser in Häusern der Fall sein.

Wie kann ich mein Kind vor Ertrinkungsunfällen schützen?

Beaufsichtigung: Kinder sollten niemals unbeaufsichtigt in der Nähe von Wasser gelassen werden, sei es in einem Pool, einem See, einem Fluss oder sogar in einer Badewanne. Eine kontinuierliche und aufmerksame Beaufsichtigung ist entscheidend, um Unfälle zu vermeiden.

Schwimmfähigkeiten: Es wird empfohlen, dass Kinder frühzeitig Schwimmunterricht erhalten, um grundlegende Schwimmfähigkeiten zu erlernen. Dies kann dazu beitragen, das Risiko von Ertrinkungsunfällen zu reduzieren. Dennoch sollten Kinder, unabhängig von ihren Schwimmfähigkeiten, niemals unbeaufsichtigt im Wasser gelassen werden.

Wasserumgebung: Eltern sollten sich bewusst sein, dass Gefahren in der Nähe von Gewässern nicht immer offensichtlich sind. Flüsse, Seen oder Meeresströmungen können stark sein und Kinder mitreißen. Es ist wichtig, sich über die örtlichen Gegebenheiten und mögliche Risiken zu informieren.

Schwimmhilfen: Schwimmhilfen wie Schwimmflügel oder Schwimmwesten können zusätzliche Sicherheit bieten, dürfen jedoch niemals die Aufsichtspflicht ersetzen. Sie sollten korrekt angelegt und stets überwacht werden.

Erste Hilfe: Eltern sollten über grundlegende Kenntnisse der Ersten Hilfe bei Ertrinkungsunfällen verfügen, einschließlich der Durchführung von Wiederbelebungsmaßnahmen. Schnelles Handeln und das Absetzen eines Notrufs bei Verdacht auf einen Ertrinkungsunfall können lebensrettend sein.

Warum ertrinken Kinder „leise“?

Die gängige Vorstellung, dass Kinder während des Ertrinkens panisch schreien oder wild mit den Armen rudern, ist falsch. In den meisten Fällen ertrinken Kinder still und unbemerkt in unmittelbarer Nähe ihrer Eltern. Kinder fallen oft mit dem Gesicht nach unten ins Wasser und aufgrund ihrer motorischen Entwicklung können sie sich noch nicht aus dieser gefährlichen Lage befreien. Zusätzlich kann es beim Eintauchen ins Wasser zu einem Spasmus der Stimmbänder kommen, der das Schreien und die normale Atmung unmöglich macht.

Was ist „sekundäres Ertrinken“?

Der Begriff „sekundäres Ertrinken“ wird in der medizinischen Fachsprache nicht verwendet und kann zu Missverständnissen führen. Durch ungenaue und schlecht recherchierte Artikel zum Thema „sekundäres Ertrinken“ wurden viele Eltern unnötig verängstigt. Es entsteht der Eindruck, dass das Verschlucken von Wasser beim Spielen im Wasser eine ernsthafte Gefahr für ihre Kinder darstellt. Diese Darstellung ist jedoch verzerrt.

Tatsächlich können in seltenen Fällen schwerwiegende Lungenfunktionsstörungen auftreten, wenn größere Mengen Wasser in die Lunge gelangen, insbesondere bei Personen, die dem Ertrinken nahe waren.  Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass Menschen nicht unerwartet Tage oder Wochen später an Ertrinken sterben, ohne vorherige Symptome zu zeigen.

Was ist “trockenes Ertrinken?“

Der Begriff „trockenes Ertrinken“ wird häufig synonym mit dem Begriff „sekundäres Ertrinken“ verwendet. Beide Begriffe sollten jedoch vermieden werden, da sie in der medizinischen Fachsprache keine Verwendung finden. In der Vergangenheit wurde der Begriff „trockenes Ertrinken“ verwendet, um Fälle zu beschreiben, in denen bei der Obduktion von Personen, die tot im Wasser gefunden wurden, kein Wasser in der Lunge nachgewiesen wurde. Dies kann auftreten, wenn Personen im Wasser plötzlich einen Herzstillstand erleiden oder noch seltener bei einem Stimmritzenkrampf (Laryngospasmus). Es ist wichtig anzumerken, dass diese Fälle sehr selten sind und nicht die typische Ertrinkungsursache darstellen. Der Begriff „trockenes Ertrinken“ wird nicht mehr allgemein verwendet, da er zu Verwirrungen führen kann und keine klare medizinische Definition hat.

Wann sollte ich mit meinem Kind nach einem Badeunfall zum Arzt?

Jeder, der nach einem Ertrinkungsvorfall Atemwegssymptome aufweist, sollte ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Es gibt keine dokumentierten Fälle in der medizinischen Literatur, bei denen ein Patient zunächst keine Symptome hatte, sich später jedoch verschlechterte und verstarb. Bei Personen, die ertrunken sind und minimale Symptome zeigen, tritt innerhalb von zwei bis drei Stunden entweder eine Besserung oder eine Verschlechterung ein.

Folgende Symptome erfordern eine ärztliche Untersuchung:
– Anhaltender Husten
– Schnelle Atmung
– Angestrengte Atmung
– Erbrechen
– Psychische Auffälligkeiten

Es ist wichtig, diese Symptome ernst zu nehmen und eine ärztliche Vorstellung zu suchen, um mögliche Komplikationen zu identifizieren und angemessene Behandlungsmaßnahmen einzuleiten.

Erste Hilfe bei Ertrinken

Das Kind sollte unverzüglich aus dem Wasser gerettet werden. Wenn das Kind bewusstlos ist und keine Atmung festgestellt werden kann, sollten sofort Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet werden. Bei der Wiederbelebung von Kindern steht die Beatmung, also das Zuführen von Luft in die Lunge, im Vordergrund. Dies wird durch Mund-zu-Mund-Beatmung erreicht. Die Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen bei allen Kindern mit fünf Beatmungen. Dabei sollte die Nase des Kindes zugehalten werden. Wenn nach den fünf Beatmungen keine Lebenszeichen vorhanden sind, sollte mit der Herzdruckmassage begonnen werden. Nach 30-mal Herzdruckmassage werden zwei Beatmungen durchgeführt. Es ist wichtig, den Notarzt (112) sofort zu verständigen. Dies sollte von einer zweiten Person durchgeführt werden. Das Wichtigste, was Eltern verstehen sollten, ist, dass bei den Wiederbelebungsmaßnahmen nichts falsch gemacht werden kann. Es ist ein großer Fehler, keine Maßnahmen zu ergreifen, da dies den Behandlungserfolg bei Ertrinkungsopfern erheblich beeinträchtigt. Alle Eltern sollten einen Kindernotfallkurs besuchen, um die Wiederbelebungsmaßnahmen bei Kindern zu erlernen. Eltern, die über gute Kenntnisse der Wiederbelebungsmaßnahmen verfügen, sind die beste Lebensversicherung für ihre Kinder.

Nach einem Ertrinkungsunfall sollten folgende Maßnahmen vermieden werden:

1. Das Kind sollte nicht in Kopftieflage gebracht werden. Es ist nicht notwendig, das möglicherweise eingeatmete Wasser aus den Lungen zu entfernen. Solche Maßnahmen verzögern nur die lebensrettenden Wiederbelebungsmaßnahmen.
2. Es sollte auf andere Maßnahmen verzichtet werden, die darauf abzielen, Wasser aus den Lungen zu entfernen. Diese Maßnahmen sind nicht erforderlich und sollten nicht durchgeführt werden.

Es ist wichtig, dass nach einem Ertrinkungsunfall unverzüglich mit den richtigen Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen wird, um das Kind zu retten. Daher sollte darauf geachtet werden, dass keine Zeit mit unnötigen Handlungen verschwendet wird, die den Behandlungsprozess verzögern könnten.

Welche langfristigen Folgen drohen einem Kind, das nach einem Ertrinkungsunfall reanimiert wurde?

Die größte Gefahr bei Badeunfällen besteht in der Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff. Je länger die Wiederbelebungsmaßnahmen verzögert werden, desto schwerwiegender können die Schäden am Gehirn sein. Mögliche Konsequenzen reichen von schweren Behinderungen bis hin zum Tod des Kindes. Das Überleben und der neurologische Behandlungserfolg nach einem Ertrinkungsunfall hängen auch maßgeblich von den Erstmaßnahmen am Unfallort ab. Jede Minute zählt in solchen Situationen. Eltern sollten die Wiederbelebungsmaßnahmen bei Kindern beherrschen, um im Notfall die Zeit bis zum Eintreffen des Notarztes überbrücken zu können. Jeder Einzelne kann Leben retten – insbesondere das seiner Kinder!

Kann ein Kind in einer Pfütze ertrinken?

Die Vorstellung, dass Kinder während des Ertrinkungsvorgangs panisch schreien oder wild mit den Armen fuchteln, ist falsch. In den meisten Fällen ertrinken Kinder still und unbemerkt in unmittelbarer Nähe ihrer Eltern. Wenn ein Kind in einer Pfütze oder einem anderen Gewässer mit dem Gesicht nach vorne fällt, kann es aufgrund seiner motorischen Entwicklung noch nicht in der Lage sein, sich aus dieser Lage zu befreien. Zusätzlich kann es beim Eintauchen ins Wasser zu einem Spasmus der Stimmbänder kommen, der das Schreien und die normale Atmung unmöglich macht.

Mythos sekundäres Ertrinken

Die Begriffe „sekundäres Ertrinken“ und „trockenes Ertrinken“ haben seit einigen Jahren Eltern verunsichert und verängstigt. Berichte wurden veröffentlicht, die suggerieren, dass Kinder nach dem Verschlucken von kleinen Wassermengen Stunden oder sogar Tage später sterben können. Leider haben auch große Zeitungen solche unpräzisen Berichte verbreitet.

Der Begriff „sekundäres Ertrinken“ wurde 2017 bekannt, als ein 4-jähriger Junge unerwartet eine Woche nachdem er im knietiefen Wasser gespielt hatte, verstorben ist. Anfangs wurde sein Tod als trockenes Ertrinken diagnostiziert, aber die Obduktion ergab, dass die eigentliche Todesursache eine unbekannte Herzerkrankung (Myokarditis) war. Seitdem werden Eltern regelmäßig durch Berichte über “sekundäres Ertrinken“ und trockenes Ertrinken“ verängstigt. Der Begriff „sekundäres Ertrinken“ sollte in der medizinischen Fachsprache nicht verwendet werden.

Es ist wichtig zu verstehen, dass das Verschlucken bzw. Aspirieren geringer Wassermengen in die Atemwege beim Spielen im Wasser in den meisten Fällen medizinisch nicht relevant ist. Vielmehr führt dies meistens zu einem Hustenreiz, der die Lunge schützt. Täglich atmen hunderte Kinder kleine Mengen Wasser beim Spielen im Schwimmbad, Pool oder Planschbecken ein, und dies stellt in der Regel keine Gefahr dar.

Bei der Aufnahme größerer Mengen Wasser in die Lunge kann es zu einer Lungenentzümdung, einem Lungenödem und unter Umständen zu einem Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) führen. Diese Gefahr besteht bei Patienten, die bei einem nichttödlichen Ertrinken größere Mengen Wasser geschluckt haben und ein Teil davon in die Lunge gelangt ist. Bei diesen Patienten kann sich der Zustand in den ersten Stunden nach der Rettung aus dem Wasser noch verschlechtern. Aber Menschen sterben nicht unerwartet an Ertrinken Tage oder Wochen später ohne vorhergehende Symptome [1].

Personen die vor dem Ertrinken gerettet werden (also definitionsgemäß nach einem nichttödlichen Ertrinken) sollten immer ärztlich untersucht werden.

Symptome die eine ärztliche Vorstellung erforderlich machen:
– anhaltender Husten
– schnelle Atmung
– angestrengte Atmung
– Erbrechen
– Psychische Auffälligkeiten

Als Faustregel gilt: Wenn beim Schwimmen Wasser geschluckt wird und anschließend die Symptome schwerwiegender sind als beim Verschlucken eines Getränks, sollte man medizinische Hilfe aufsuchen [1].

Zusammenfassung: Viele Eltern werden durch ungenaue und unsachliche Artikel verängstigt, da sie glauben, dass schon das Verschlucken geringer Mengen Wasser beim Schwimmen oder Spielen im Wasser eine ernsthafte Gefahr für ihre Kinder darstellt. Berichte über „sekundäres Ertrinken“ suggerieren eine plötzlich auftretende tödliche Gefahr, die Stunden nach dem Ereignis eintreten kann. Diese Darstellung ist jedoch verzerrt. Tatsächlich kann es bei größeren Mengen Wasser, die in die Lunge gelangen, zu schweren Lungenfunktionsstörungen kommen. Dies ist jedoch sehr selten und betrifft hauptsächlich Personen, die beinahe ertrunken sind. Menschen sterben nicht unerwartet Tage oder Wochen später an Ertrinken, ohne vorherige Symptome.

Ertrinken ist eine der häufigsten Todesursachen bei Kindern. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir korrekte Informationen darüber teilen, um eine effektive Prävention, Rettung und Behandlung zu gewährleisten.

Leider werden immer noch falsche Informationen über das Ertrinken von medizinischen Anbietern, medizinischen Zeitschriften und den Massenmedien verbreitet. Diese Berichte erhalten oft Vorrang vor aktualisierten Informationen und verhindern ein genaues Verständnis des Ertrinkungsproblems und seiner Lösungen.

Sehen Sie unser Trainingsvideo zur Wiederbelebung bei Kindern!

Quellen

[1] Szpilman D, Sempsrott J, Webber J, Hawkins SC, Barcala-Furelos R, Schmidt A, Queiroga AC. ‚Dry drowning‘ and other myths. Cleve Clin J Med. 2018 Jul;85(7):529-535. doi: 10.3949/ccjm.85a.17070. PMID: 30004377.
[2] Stern AM, Thompson LA. What Parents Should Know About Drowning and Dry Drowning. JAMA Pediatr. 2022;176(8):830. doi:10.1001/jamapediatrics.2022.1434
[3] Pressemitteilung Universitätsklinikum Bonn vom 01.07.2019: Badeunfälle bei Kindern vermeiden, https://www.ukbnewsroom.de/badeunfaelle-bei-kindern-vermeiden/
[4] Szpilman D, Bierens JJ, Handley AJ, Orlowski JP. Drowning. N Engl J Med. 2012 May 31;366(22):2102-10. doi: 10.1056/NEJMra1013317. PMID: 22646632.
[5] Hawkins SC, Sempsrott J, Schmidt A. “Drowning” in a sea of misinformation. Emergency Medicine News 2017; 39(8):1. http://journals.lww.com/em-news/blog/BreakingNews/pages/post.aspx?PostID=377 Abgerufen 19.06.2023
[6] https://www.kindernotfall-bonn.de/wiederbelebung-reanimation-kind/

Weitere Informationen: